Erfolgreicher kommunaler Klimaschutz benötigt zertifizerte THG-Bilanzen, offene Klimaschutz-Tools und Partnerschaften zur Umsetzung.
Eine kommunale Transformation kann nur mit Bürgernähe und Vertrauen gelingen. Digitale Plattformen können hier entscheidend beitragen, denn sie bergen Potentiale zur Sichtbarmachung und Unterstützung nachweisbasierten Fortschritts aller kommunalen Akteure. Voraussetzung ist eine Zertifizierung von methodischen Grundlagen und deren Anwendung in digital assistierten Serviceangeboten. Um offene Standards zu beschleunigen und kommunale Treibhausgas – Reduktionspfade mit korrelierenden Maßnahmen bestmöglich zu steuern werden Entwicklungspartnerschaften von Bürger*innen, Kommunen und Stiftungen vorgeschlagen.
Am 29.11.2023 startete der Fachaustausch zum Monitoring kommunalen Klimaschutzes zwischen BMWK, difu, ifeu, UBA, Landesministerien, Landesenergieagenturen und Vorreiterkommunen. Die sdp regte im Vorfeld an Bürger*innen und engagierte kommunale Akteure in den Mittelpunkt zu rücken, neue Digitalmonopole zu vermeiden und open-data Ansätze zur kommunalen Transformation zu beschleunigen.
Angesichts zu langsamer Klimaschutzfortschritte, fehlender Verankerung des Klimaschutzes als kommunaler Pflichtaufgabe und der Überforderung von Verwaltungen mit den Klimaschutz-Aufgaben zeichnet sich ansonsten gerade für Kommunen mit ambitionierten Klimaschutzzielen eine akute Verfehlung dieser Ziele ab (vgl. Klimawatch).
Kommunaler Klimaschutz unter Bilanzierungsdruck
Ohne verbindliche Standards zu Zertifizierung und Anwendung droht unter dem wachsenden Bilanzierungsdruck akut ein „Wild-West“ der kommunalen THG-Bilanzierung mit Greenwashing und nachfolgendem weiterem Vertrauensverlust der Bevölkerung (s. Studien FES, Körber-Stiftung).
Darstellung: Kölner Treibhausgas – Budget 2020 mit 1,5°C (gelb) und 1,75° (rot) CO2-Budget mit kumulierten CO2-Emissionen nach Szenario Fachgutachten (grün) und Ist/Trend Szenario (schwarz). Bild: Stiftung Energieeffizienz 2024.
Wie am Beispiel der Stadt Köln dargestellt klafft in den meisten Städten zwischen den ambitionierten Klimaschutzzielen und deren Umsetzung eine eklatante Lücke. Die grüne Kurve in der Darstellung zeigt den Kölner THG-Reduktionspfad zwischen 1,5 Grad-Budget und 1,75 Grad-Budget gem. „Köln klimaneutral 2035 – Fachgutachten“ (Band 1, Abb. 5). Hier verbliebe zum Zeitpunkt der vom Rat der Stadt beschlossenen Klimaneutralität 2035 ein dauerhaftes CO2-Restbudget von ca. 20 Mio. t CO2. Das als obere Grenze dargestellte Kölner 1,75 Grad-Restbudget beträgt Anfang 2024 jedoch nur noch ca. 50 Mio. t CO2 (Pfeil). Werden gem. Trend weiterhin jährlich ca. 9 Mio. t CO2 emittiert ist das 1,75 Grad Budget bereits vor 2030 aufgebraucht. Das 1,5 Grad-Budget ist gem. Darstellung bereits 2026 verzehrt und nicht mehr dargestellt.
Realistische Ziele zertifiziert einhalten
Nichtzertifizierte Verfahren öffnen die Tür für Greenwashing, wenn z.B. durch den Wechsel der Bilanzierungsgrundlage von BISKO auf GPC die Emissionen um 30 % reduziert dargestellt werden. Schönrechnung ermöglicht kurzfristig das Heraushalten von Zielverfehlungen aus Kommunalwahlen und den Weiterbetrieb fossiler Geschäftsmodelle zum Ausgleich kommunaler Haushaltslöcher.
Inkonsistenz und Intransparenz verhindern jedoch das bestmögliche gemeinsame Heben von Klimaschutz-Potentialen durch Zusammenarbeit von Kommunen und Gesellschaft in Verbindung mit abgestimmten Maßnahmen auf der Bundesebene. Ohne unabhängige Zertifizierung der Bilanzierung droht eine Fehlleitung der THG-Reduktionspfade und ein finales Scheitern der zu spät und zu langsam angegangenen Wärmewende. Die Forderung nach Zertifizierung bzw. Qualitätssicherung betrifft auch die Wärmeplanung mit notwendigen Folgeangeboten für Bürger*innen im Sinne von One-Stop-Shops (s. CO2COMPASS Ansatz).
Notwendig ist der gemeinsame Einsatz für vitale Kommunen und das lokale Eindämmen jedes 1/10 Grades globaler Erdüberhitzung anhand realistischer Ziele und Tools zur Unterstützung der Nachsteuerung. Die Steuerung auf Zielerreichung benötigt Transparenz, Beteiligung von Bürger*innen, Benennung von Interessenkonflikten, vertrauensvolle Kooperationen und verbindliche Nachweise auch für zertifizierten Ökostrom und grünen Wasserstoff. Lokaler Wettbewerb muss Kostenüberhöhungen durch z.B. neue Monopole mit zweifelhaftem Klimanutzen entgegenwirken.
Unabhängige Tools für starke Kommunen und Gemeinschaften
Zertifizierte offene Klimaschutz-Tools sind notwendig. Um sie zeitnah einzuführen kann auf Basis von Vorarbeiten ein leistungsfähiges kommunales Klimaschutz data-warehouse aufgebaut werden. Mögliche Partner sind open-data Akteure, Klimabündnis-Kommunen, das „Service- und Kompetenzzentrum: Kommunaler Klimaschutz“ und das UBA. Ein Anschub kann über Stiftungen erfolgen.
Darstellung Klimadashboard Münster: Wie viel CO2 wird in Münster ausgestoßen? Das Klimadashboard liefert die Daten und zeigt, wo Münster auf dem Weg zur Klimaneutralität steht. Foto: Stadt Münster. Veröffentlichung s. Pressemitteilung.
Nachfolgend finden sich erste Vorüberlegungen für Arbeitspakete mit einem insgesamt mehrjährigen Umfang:
-> Forderung offene Daten
Damit Daten frühzeitig verfügbar sind müssen Gesetze auf EU- und Bundesebene Datenhalter aus Energie- und Großprozessen auf die überfällige Öffnung ihrer Datensilos mit für Bilanzen notwendigen Klimaschutzdaten verpflichten (Netzwerk- und Lobbyarbeit).
-> Organisation der Zertifizierung
Der Prozess der Zertifizierung anhand des BISKO-Standards und die Organisation der Trägerschaft zur Zertifizierung von Methodik, Tool und Anwendung im Sinne des Gemeinwohls sind zu klären. Zu integrieren ist über BISKO hinaus die Erfassung der THG-Emissionen aus Produkten und der Gebäude- sowie Infrastrukturherstellung (Facharbeit und Organisation).
-> Arbeitspaket „Tools und Schnittstellen“
Das Zusammenstellen bestehender Tools und die Entwicklung von Schnittstellen umfasst die Analyse bestehender Tools und die Erarbeitung von Formaten für den Datenaustausch in Hinblick auf das Gesamtziel, der Entwicklung digitaler Unterstützungsangebote in einem offenen und akkreditierten kommunalen Klimaschutz Data-Warehouse.
-> Arbeitspaket “smart citizens“ zur Verstetigung von Bürgerengagement
Die Verstetigung des Bürgerengagements bedingt Kooperation von Wirtschaft, Kommune und Bürger*innen auf Augenhöhe. “smart citizens“ nutzen die digital assistierte Kommunikation über „Klimaschutz-Tools“ für ihre Partizipation (Inhalte s. CO2COMPASS).
-> Arbeitspaket „Klimaschutz Scrum Master“
Die Idee des Klimaschutz-Scrum-Masters zur Maßnahmenverfolgung und für interkommunalen Austausch zielt auf die qualifizierte Unterstützung von Klimaschutz-manager*innen in den Kommunen durch bewährte digitale Formate für die Organisation und das Zielerreichungscontrolling (Facharbeit und Organisation).
Die open-data initiative pflegt einen Austausch von Akteuren und sammelt Vorarbeiten und Ansätze. Teilen Sie gerne Ihr Interesse an der Initiative mit.
Über die open-data Initiative für kommunale Klimaneutralität
Ob engagierte Bürgerin, Mitglied im Klimarat oder Bürgermeister. GermanZero, Klimawatch, OK-Lab Karlsruhe und sdp laden Sie zur open-data Initiative für kommunale Klimaneutralität ein. Wir freuen uns über Ihr Interesse.
Ohne qualitativ hochwertige Daten, die valide Informationen über Klimaschutzmaßnahmen zur richtigen Zeit liefern, ist die Entwicklung, Überwachung und Steuerung bezahlbarer kommunaler Treibhausgas-Reduktionspfade unmöglich [1]. Nachweisorientierter Klimaschutz bedingt dazu eine breite, von der Bevölkerung akzeptierte Digitalisierung. Diese kann von der Verwaltung nicht allein eingeführt werden. Daher stellt die open-data Initiative partizipative Unterstützungs-Angebot vor.
Die Zeit rinnt dem kommunalen Klimaschutz davon. Kommunale CO2-Budgets werden zu schnell aufgebraucht. Somit erhöht sich der Druck auf Kommunen, mehr Treibhausgase einzusparen, Einsparpotentiale und Notwendigkeiten besser zu kommunizieren und nicht zuletzt den Fortschritt bei den Einsparungen transparenter darzustellen.
Zur Unterstützung der Klimaschutzanstrengungen in Städten und Gemeinden entwickeln „Code for Germany“ im Rahmen des Projekts „Klimawatch“, „GermanZero“, „OK-Lab Karlsruhe“ und die „sustainable data platform“ gemeinsam digitale Werkzeuge. Gemeinsamer Fokus ist die Stärkung von Partizipation und Impulsen der Zivilgesellschaft. Bürger*innen können mit ihren Daten positive valide Beispiele sichtbar machen und neue Ideen in Klimaschutzkonzepte einbringen.
Die Tools zielen auf kontinuierliches Feedback, um Maßnahmen gemeinsam zu entwickeln, auf Zielerreichung zu kontrollieren und nachzusteuern, Bürger*innen zu befähigen im laufenden Prozess Vorschläge wirksam und strukturiert einzubringen und die Verwaltung zu entlasten.
Das Angebot zur Unterstützung richtet sich an Bürger*innen, Klima- und Bürger*innenräte, Verwaltungen und engagierte Akteur*innen in Kommunen. Mitarbeiter*innen in den Kommunen sollen durch offene Arbeitshilfen und z.B. bei der digitalisierten Erarbeitung von notwendigen Datengrundlagen für zeitnahen Klimaschutz unterstützt werden.
Informieren Sie sich über erste Tools:
- LocalZero: Die Klimavision von GermanZero
- Klimawatch: Intuitive Nachverfolgung beschlossener Klimaschutzmaßnahmen
- OK-Lab Karlsruhe: Transparenzportal zur Verbesserung der Datengrundlagen
- sustainable data platform: Digitale Anzeigetafel für CO2-Einsparungen
Darstellung Ideenskizze zur Visualisierung beabsichtigter Klimaschutzmaßnahmen verschiedener Handlungsfelder in Verbindung mit einem kommunalen Zielerreichungscontrolling und offenen Smart-City Tools. Bild: Stiftung Energieeffizienz (Pressemitteilung).
Die offenen Tools verfolgen die Idee des sofortigen, an klaren Zielen ausgerichteten datenbasierten Klimaschutzes (s.a. KLIMAWETTE). Perspektivisch werden europaweit nutzbare offene Werkzeuge auch zur vereinfachten Erstellung von THG-Bilanzen und Unterstützung des THG-Managements angestrebt.
[1] In Anlehnung an: https://www.undatarevolution.org/wp-content/uploads/2014/11/A-World-That-Counts.pdf